Endlich komme ich mal dazu, von meiner Tour auf den Misti zu berichten. Viele Fragen haben mich dazu schon erreicht und auch Zweifel, ob ich wirklich da war oder ob ich es überhaupt überlebt habe. Ich kann euch beruhigen und ja, ich war wirklich oben und bin auch wieder gut, wenn auch total erschöpft, wieder in Arequipa angekommen.

Los ging die Tour eigentlich schon vor 3 Monaten, kurz nachdem ich in Arequipa ankam. Schon dort setzte ich mir das Ziel, irgendwann den Misti zu besteigen. Der geneigte Leser wird den Misti sicher schon mehrfach wahrgenommen haben, sticht er doch aus meinen Berichten und auch aus der Umgebung von Arequipa deutlich hervor.

Misti

5.822 Meter hoch erstreckt sich dieser Vulkan direkt vor den Toren von Arequipa und diese wollte ich nutzen, um mir die Stadt von oben anzuschauen. Also ging es am letzten November-Wochenende endlich los. In einer 4-er Gruppe fuhren wir per Jeep Richtung Misti, ca. 1,5 Stunden bis zum Startpunkt unserer Wanderung. Dieser lag bereits auf ca. 3.400 Metern, was ja auch schon nicht ohne ist. Von dort machten wir uns am Samstag auf zum Basiscamp, welches auf ca. 4.500 Metern liegt. Mit mir waren noch ein Deutscher, ein Amerikaner und ein in der Schweiz lebender Türke unterwegs, also wieder mal eine internationale Gruppe.
Unser Aufstieg ging anfangs ganz gut voran, doch schon auf dieser Höhe wurde uns klar, dass Sauerstoff ein rares Gut und Pausen öfter angebracht sind. So schlugen wir uns tapfer die ersten 1.000 Höhenmeter hinauf und kamen nach ca. 5 Stunden im Camp an. Dieses bestand eigentlich nur aus den Zelten und einigen anderen Wagemutigen. Etwas erschöpft ließen wir uns erstmal nieder und versuchten, durch ruhiges Atmen den Körper wieder zu beruhigen.
Da es bis zum Abendbrot noch etwas Zeit war, testeten wir schon mal für einige Minuten unser Zelt. Eine halbe Stunde später krochen wir aus den Zelten und trauten unseren Augen nicht. Innerhalb weniger Minuten hatte sich dieser trostlose Ort zu einem Paradies über den Wolken verwandelt. Ein Blick über den Wolkenteppich endschädigte schon für die ersten Mühen an diesem Tag. Wir genossen den Sonnenuntergang beim Abendbrot und machten uns zeitig wieder in die Zelte, da das Abendprogramm doch recht spärlich war.

Am nächsten Morgen, oder besser gesagt, nach wenigen Stunden, um 1.30 Uhr, wurden wir von unserem Guide zum Frühstück geweckt, welches kulinarisch nicht wirklich höchsten Ansprüchen genügte. Egal, ein heißer Coca-Tee brachte und jedenfalls die nötigen Kräfte, um den folgenden Aufstieg angehen zu können. Doch als wir um 2 Uhr aufbrachen, waren wir schon nur noch zu dritt, da sich der erste mit Magenproblemen abmeldete.
Also stiefelten wir in die Dunkelheit und auch in die Ungewissheit, was uns erwarten würde. Bewaffnet mit einer Grubenlampe schlichen wir im Gänsemarsch dem Gipfel entgegen, hächelnd und mit Blick auf die Hacken meines Vordermannes. Also gegen 5 die Sonne aufging, hatten wir gerade einmal 500 Höhenmeter hinter uns gelegt. Ich kam leicht ins zweifeln, wie ich den Rest wohl überstehen könnte. Die Pausen häuften sich nun und zu allem Überfluß musste ein weiterer Mitstreiter aussteigen, denn ihn hatte die Höhenkrankheit erwischt. Ich hoffte und trank fleißig Wasser, dass ich verschont bleiben würde. Mein Ehrgeiz war deutlich größer als meine Kräfte, aber noch war ich felsenfest davon überzeugt.
Diese Überzeugung verlies mich aber komischerweise mit jedem Höhenmeter. Der Weg bestand nun teilweise nur aus Felsen, die nicht zu bewandern, sondern zu überklettern waren. Unterbrochen nur von feinsandigen Trampelpfaden, auf denen im Schneckentempo vorangekrochen wurde. Dieser schier endlose Aufstieg brachte mir Zeit über wichtige und auch unwichtige Dinge nachzudenken. „Werde ich es schaffen? Was mache ich, wenn ich nicht mehr weiter kann? Wofür? Welcher Fuss als nächstes? Was gibts morgen zu essen? Und warum liegt hier eigentlich Stroh?“

Wolkenpanorama

Nach ungefähr 6 Stunden erreichten wir endlich die letzte Anhöhe und hatten das Gipfelkreuz im Blick. Diesen letzten Kraftakt wollten wir nun auch noch hinter uns bringen und ließen Rucksack Ballast zurück, um die letzten 100 Höhenmeter Richtung Himmel zu meistern. Die Freude über das Erreichen musste jedoch erstmal warten, anscheinend setzte mein Körper erstmal die Priorität auf Atmen und Sauerstoffzufuhr, was auch ganz gut war. Noch schnell ein, zwei Schnappschüsse gemacht und weiter gings zum Krater des Misti, der noch einmal ein paar Meter weiter weg gelegen ist. Mit Schwefel in der Nase, Sand in den Schuhen und leeren Wasserflaschen machten wir uns dann daran, den Abstieg anzugehen. Da der Weg des Aufstieges praktischerweise wegen der Felsformationen nicht zum Abstieg geeignet war, suchten sich die Peruaner einfach einen praktikableren Weg und zwar den direkten. Ähnlich wie beim Sandboarden gibt es eine Arte „Sandlawine“, die aus sehr feinem Sand und einigen lockeren Felsen besteht. Diese Route, die genau talabwärts führt, schlägt man ein und „springt“ mit großen Schritten hinab. Dabei muss man allerdings aufpassen, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Spass machts aber trotzdem, auch wenn nach dem Aufstieg meine Kräfte fast komplett aufgebraucht waren.
So erreichten wir nach 45 Minuten das Basicamp, von dem aus wir vorher noch 6 Stunden hinauf gebraucht hatten! Kurz das Zelt eingepackt und weiter ging der Spass. Nur das letzte Stück mussten wir noch einmal den normalen Weg nehmen und kamen gegen Mittag wieder an unserem Startpunkt an. Dort wartete bereits unser Jeep, der uns, nachdem wir den Sand aus unserem Schuhen entleert hatten, wieder zurück nach Arequipa brachte.

Was soll ich sagen, ich brauchte anschließend ein paar Tage, um diese unvergessliche Tour zu verarbeiten. Ich habe mir vorher und besonders danach oft die Frage gestellt, warum machst du das? Als Mutprobe? Zum Angeben? Aus Dummheit oder Langeweile? Ehrgeiz?
Bis heute kann ich es selbst nicht so genau beantworten. Es ist einfach der Reiz, etwas Neues auszuprobieren, seine Grenzen auszutesten und irgendwie auch, diese Freiheit dort oben spüren zu wollen! Als ich wieder zurück war, hatte ich auf jeden Fall dieses Gefühl von Zufriedenheit in mir, auch wenn es aufgrund der totalen Erschöpfung erst nach einigen Tagen zum Vorschein kam.

9 Antworten auf “Mission Misti – oder: das Leiden in 2 Akten”

  1. Bereust du den guten Rucksack? Die fotos sind mal wieder beeindruckend. Mals sehen ob ich mit Lissabon da etwas gegen halten kann 😉

  2. „Und warum liegt hier eigentlich Stroh?“ 😉
    Sehr cooler Bericht und schicke Fotos!! Ich hab deinen Bericht mal beim Wikipedia-Artikel verlinkt, mal sehen wie lange der sich hält…

  3. ich hab versucht als user den artikel als „gesichtet“ zu markieren aber ich glaube dafür habe ich nicht genug „street-credibility“

  4. Endgeile Sache und mal wieder Top-Fotos! Und du schaust in der Tat richtig K.O. aus. Aber scheint sich ja echt gelohnt zu haben.
    Andy, auch wenn ich hier in NZ ebenfalls tolle Sachen erlebe, manchmal werde ich trotzdem neidisch, haha 😉

  5. marianne
    23.03.2009

    ja, ja kommt mir bekannt vor, war 2007 auf dem Misti. Die letzten 100 meter hatten so an sich.. bei eisiger kälte. Irgendwie lustig, welche Gedanken man sich beim Aufstieg macht gell? Der Sauerstoff ist halt schon etwas knapp fürs Gehirn auf dieser Höhe..

  6. hey hey… ich lese jetzt nochmal dein Mistibericht. Ich bin gespannt ob ich das nächste Woche schaffe. Ich sage es Dir jetzt schon: Respekt!!!
    Ich werde auf jeden Fall den Misti von Dir begrüssen und vielleicht bringt mir das etwas Glück!
    Sonnige Grüsse aus Mollendo

  7. Edgar Salas Cuadros
    03.04.2013

    Te felicito por esa aventura, soy arequipeño y tambien seguire tus pasos,para sentir esa satisfaccion que tu sentiste.

  8. Fleischi
    24.11.2013

    Ich war oben ( 30.11.2013) und es war einfach geil die Höhe von 5.822 in so kurzer Zeit bewältigt zu haben. ca. 10 Stunden und die Aussicht gehört Dir – ich hatte super Wetter!

    Ab ca. 3.400 m ging es los – Zwischenlager bei 4.600 m – Nachtruhe, sofern man davon sprechen kann, von 19:00 Uhr bis 2:00 Uhr, dann Aufstieg zum Mistigipfel bis 8:30 Uhr. Sauerstoff war knapp, aber mit der richtigen Atemtechnik packt man die Defizite.
    Es war mein Traum seit dem ersten Perubesuch 2010. Beim dritten Mal Peru in Peru hatte ich Zeit und Muse.

  9. Super Bericht, ich habe mich komplett in meinen Aufstieg vom Misti zurückversetzen können. Ja, in der Tat, es ist eine ganz schöne Anstrengung die sich aber so etwas von lohnt daß man es gar nicht beschreiben kann. Ihr hattet wirklich sehr viel Glück mit dem Wetter, bei unserem Aufstieg fing nach 2 Stunden der angekündigte Schneesturm an der zu dieser Jahreszeit jeden Morgen kommt, aber auch das haben wir überlebt. Die Guide`s sind so super nett, da fühlt man sich total gut aufgehoben.